Amselgesang mal anders

Wer einmal etwas sehr Vertrautes völlig neu hören will, sollte sich mal verlangsamten Vogelgesang anhören!



 

Einmal hatte sich ein Amselmännchen auf dem Geländer meines Balkons niedergelassen, um von dort aus sein Abendliedchen zu trällern. Mit Hilfe des nur ca. 1 Meter entfernten Nistkasten-Mikrofons habe ich den Gesang der Amsel mitgeschnitten und anschließend die Aufnahme auf ein Viertel der Originalgeschwindigkeit verlangsamt, um einmal die schnellen Tonfolgen genauer heraushören zu können (das geht z.B. mit CoolEdit bzw. Audition über das Menü "Edit > Adjust Sample Rate"). Was dabei herausgekommen ist, finde ich schon ziemlich erstaunlich: Man hört einen seltsam artikulierten, fast schon menschlich klingenden, aber doch sehr fremdartigen "Singsang", den man erst mal keinem bekannten Lebewesen zuordnen kann. Es sind erstaunt klingende Ausrufe zu hören wie "Eiii", "Ajee" usw., immer wieder unterbrochen von seltsamen Lauten wie dem Bellen eines Hundes, dem Wiehern eines Pferdes, dem Rufen exotischer Urwaldvögel, oder einfach nur vergnügtem Quietschen. Etwa 1 Jahr später wiederholte sich das Spiel: Wieder sang eine Amsel ihren Reviergesang von dem Blumenkasten in der Nähe des Nistkastens aus.

Hier nun die Aufnahmen (damit die verlangsamte Version der Aufnahmen nicht zu lang wird, habe ich die Pausen zwischen den einzelnen Strophen herausgeschnitten):

Beispiel 1 vom 27.03.2005:


Verlangsamt auf 25%


Originalgeschwindigkeit

Beispiel 2 vom 28.04.2006:


Verlangsamt auf 25%


Originalgeschwindigkeit

Mittlerweile ist die Amsel in der Aufnahme von 2006 sogar auf dem besten Wege zu einem Plattenvertrag: Der Musiker und Komponist Jürgen Reitershan hat ihren verlangsamten Gesang in musikalische Einheiten zerlegt, die z.T. mehrmals wiederholt werden, und dazu dann Piano gespielt - viel Spaß beim Hören:



Amsel mit Pianobegleitung

Webseiten über verlangsamten Vogelgesang findet man per Google einige, aber nirgendwo habe ich Amseln so "artikuliert" singen hören wie hier. Auf dieser Seite z.B. klingt die verlangsamte Amsel eher wie eine gurrende Taube. Möglicherweise liegt das daran, daß sich in meinem Fall die Amseln so nah am Mikrofon befanden und die Formanten dadurch deutlicher aufgenommen wurden. - Oder gibt es bei Amseln vielleicht einfach nur unterschiedliche "Dialekte"...? :-)

Übrigens ist es überhaupt sehr faszinierend, normalerweise "Unhörbares" hörbar zu machen, indem man sehr tiefe oder sehr hohe Schwingungen in den menschlichen Hörbereich transponiert. So sendete WDR5 am 14.03.2002 einen Beitrag über Florian Dombois, der seismische Schwingungen durch Vervielfachen der Frequenz (Sonifikation) hörbar machte, so daß sie eine sehr merkwürdige "Musik" ergaben - die "Melodie der Erde" sozusagen...


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